Wann hast du das letzte Mal Zeit in der Natur verbracht? In seinem Buch “Das letzte Kind im Wald” hat Richard Louv einen Begriff geprägt, der jetzt auch für Mediziner von großem Interesse ist – „Natur-Defizit-Syndrom“. Es handelt sich dabei zwar nicht um eine klinische Diagnose oder einen Begriff, aber empirische Belege aus einer Vielzahl von Bereichen, einschließlich der Psychologie und der öffentlichen Gesundheit, unterstützen diese Idee.
Was also ist ein Natur-Defizit-Syndrom?
Louv argumentiert, dass Elemente eines städtischen Lebensstils, wie weniger Grünflächen, mehr Bildschirmzeit, weniger Freizeit, eine auf das Auto ausgerichtete Kultur und der erhöhte Druck durch Arbeit und Schule dazu führen, dass Erwachsene und Kinder weniger Zeit in der Natur verbringen. Ein geringerer Aufenthalt in der Natur mindert die Lebensqualität und kann zu zahlreichen Gesundheitsproblemen wie Fettleibigkeit, psychischen Problemen und sozialen und Verhaltensschwierigkeiten führen, was das so genannte Natur-Defizit-Syndrom zur Folge hat.
Gibt es dafür irgendwelche Beweise?
Es mag zwar so aussehen, als sei dies nur eine Beobachtung oder eine Meinung, aber zahlreiche Studien haben gezeigt, dass unsere Gesundheit mit den Grünflächen und Aktivitäten zusammenhängt, die wir nutzen.
Menschen, die einen besseren Zugang zur Natur haben, berichten, dass sie zufriedener mit ihrem Leben sind und sich gesünder fühlen, selbst wenn man Einkommensunterschiede berücksichtigt. Grüne Umgebungen verbessern die Konzentration, das emotionale und soziale Funktionieren und die Fähigkeit, größere Herausforderungen im Leben zu bewältigen.
Eine groß angelegte Studie aus dem Jahr 2009, bei der die Krankenakten von mehr als 345000 Personen in den Niederlanden ausgewertet wurden, zeigte, dass das Wohnen in einem Umkreis von 1 km um eine Grünfläche das Auftreten von 15 Krankheitskategorien verringern kann, darunter Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Beschwerden des Bewegungsapparats, Angstzustände und Depressionen, Atemwegserkrankungen, Asthma und Diabetes.
Naturbasierte Interventionen – die Lösung?
In letzter Zeit wurde viel darüber nachgedacht, wie man Menschen helfen kann, Zeit in der Natur zu verbringen und grüne Aktivitäten durchzuführen. Diese Maßnahmen werden als naturbasierte Interventionen bezeichnet. Zu den naturbasierten Interventionen gehören in der Regel Dinge wie Gartenbau (sowohl aktive Gartenarbeit als auch das Lernen über Pflanzen), Ausflüge in Wälder oder Grünanlagen oder sogar Waldaufenthalte.
Diese Maßnahmen sind besonders hilfreich für Menschen, die mit chronischen Krankheiten leben, und für Menschen, die unter einer schlechten psychischen Gesundheit leiden. Neuere Forschungen befassen sich auch mit dem Einsatz von naturbasierten Maßnahmen zur Verringerung von Stress am Arbeitsplatz, was für die Produktivität von entscheidender Bedeutung ist.
Naturbasierte Interventionen bei chronischen Erkrankungen
Eine Überprüfung von 13 Studien, in denen die Wirksamkeit von naturbasierten Interventionen auf eine Reihe von psychologischen und physiologischen Ergebnissen untersucht wurde. Sie legt nahe, dass diese Interventionen Stimmungsstörungen und Depressionen verringern und die „Vitalität“ verbessern können. Diese Studien hatten auch physiologische Auswirkungen, wie eine Verringerung der Herzfrequenz, des Blutdrucks und der Ausschüttung von Stresshormonen.
Naturbasierte Interventionen für die psychische Gesundheit
Viele naturbasierte Maßnahmen haben sich als erfolgreich erwiesen, wenn es darum geht, die psychische Gesundheit und die Lebensqualität von Menschen zu verbessern, die von psychischen Problemen betroffen sind. Dies war nach der COVID-19-Pandemie besonders wichtig, da psychische Probleme während der Pandemie zunahmen.
Eine kürzlich durchgeführte Überprüfung von 50 Studien hat gezeigt, dass naturbasierte Interventionen mit einer Verringerung der depressiven Stimmung verbunden sind. Sie wurden auch mit einer Verringerung der Angstsymptome und einer Verbesserung des positiven Affekts in Verbindung gebracht. Diese Effekte wurden in allen Bevölkerungsgruppen beobachtet, einschließlich gesunder Erwachsener, Menschen mit häufigen psychischen Problemen und älteren Erwachsenen mit chronischen Erkrankungen.
Naturbasierte Interventionen gegen arbeitsbedingten Stress
Arbeitsbedingter Stress wird mit Faktoren wie langen Arbeitszeiten, Belastung und Druck, mangelnder Kontrolle oder der Möglichkeit, an der Entscheidungsfindung teilzunehmen, einer unklaren Arbeitsrolle und geringer sozialer Unterstützung in Verbindung gebracht. Chronischer arbeitsbedingter Stress kann zu Burnout führen, der mit emotionaler Erschöpfung und geringerer persönlicher Leistung einhergeht.
In einer kürzlich durchgeführten Studie wurden zwei Gruppen von Arbeitnehmern untersucht: diejenigen, die wöchentlich zwei 1.5-stündige naturbezogene Interventionen erhielten, die aus Aktivitäten wie einem Spaziergang in der Natur und Workshops mit Naturmaterialien bestanden, und diejenigen, die dies nicht taten. Diejenigen, die an den naturbasierten Interventionen teilnahmen, hatten eine Verbesserung der Geschwindigkeit der visuellen Informationsverarbeitung, der selektiven Aufmerksamkeit und eine Verringerung des Stresses, sowohl nach eigenen Angaben als auch gemessen durch die Speichelcortisolkonzentration.
Was sind die besten Wege, um Ergebnisse zu erzielen?
Wenn man über die Vorteile des Aufenthalts in der Natur liest, scheint es ein einfacher Weg zu sein, die körperliche und geistige Gesundheit und die Lebensqualität zu verbessern. Es stellen sich jedoch Fragen zur „Dosierung“ der Natur – wie oft und wie lange sollte man sich in der Natur aufhalten, damit sie wirksam ist?
- Maximiere die Zeit in der Natur. Es ist wichtig, die Zeit, die man in der Natur verbringt, zu maximieren, sei es, dass man aktiv Zeit im Park verbringt oder auch nur ein paar Bäume vor seinem Fenster betrachtet. Du musst deinen Zeitplan also nicht ändern, um jedes Wochenende einen Wanderausflug einzuplanen, sondern können stattdessen 10 Minuten deines Tages damit verbringen, das Grün in der Nähe deines Zuhauses zu genießen.
- Die Natur hilft in jeder Form! Wenn wir an Natur denken, denken wir vielleicht an Wälder oder weite Landstriche, zu denen nicht jeder Zugang hat, aber um eine positive Wirkung zu erzielen, ist fast jede Natur geeignet. Fünf Minuten an der Küste, Bäume, die man aus dem Fenster sehen kann, eine Lektüre im Schatten, ein Frühstück am Fenster, ein Baum oder ein Basketballspiel im Park – all das sind gleichermaßen gute Formen von Natur, denen man sich aussetzen kann. Jede Form von „Vitamin G“ hilft.
- Mehr Grün = besseres Wohlbefinden. Es ist erwiesen, dass die Vorteile umso größer sind, je grüner die Dosis ist. In einer Studie mit Studenten waren die kognitiven Fähigkeiten derjenigen, die in einem Wohnheim mit Bäumen vor dem Fenster wohnten, besser als die derjenigen, die keine Bäume sehen konnten. Aber je grüner die Aussicht ist, desto besser sind die kognitiven Funktionen! Wildes Grün ist besonders gut – ein Aufenthalt von zwei Nächten und drei Tagen in einem Waldgebiet verbessert die Immunfunktion für einen ganzen Monat.
Welche naturbasierten Interventionen kannst du ausprobieren?
Naturbasierte Interventionen mögen einschüchternd klingen. Aber sie sind ganz einfach, und höchstwahrscheinlich hast du schon ein oder zwei davon gemacht!
- Mach einen Spaziergang im Park/Garten/Wald – das kann deine körperliche Aktivität erhöhen und Stress, Blutdruck und Depressionen verringern. Bonuspunkte, wenn du in eine Gruppe gehst!
- Nimm an einem Wildnisprogramm wie Outward Bound teil – du wirst persönliches Wachstum und ein Gefühl der Erfüllung erleben, was Wunder für dein Selbstwertgefühl und dein Wohlbefinden bewirken kann.
- Ziehe eine Ökotherapie in Erwägung – die Ökotherapie ist eine Art der therapeutischen Behandlung, bei der du unter der Aufsicht einer ausgebildeten Fachkraft Aktivitäten in der Natur durchgeführt. Sie wird auch als grüne Therapie oder Naturtherapie bezeichnet.
- Waldbaden – Verbringe Zeit in einem Wald, achte auf deine Atmung und probiere verschiedene meditative Techniken im Wald aus.
- Freiwilligenarbeit in der Umwelt – engagiere dich für eine grüne Sache! Du wirst nicht nur mit Gleichgesinnten in Kontakt kommen, sondern auch etwas Gutes für die Gemeinschaft tun, was dein Selbstvertrauen stärken wird.
- Bewegung an der frischen Luft – ob allein oder in der Gruppe, du wirst dich nicht nur bewegen, sondern auch besser fühlen! Übungen im Wasser oder an der Küste sind genauso effektiv wie Übungen auf dem Feld oder im Wald.
- Garten – so einfach es auch klingt, ist Gartenarbeit eine fantastische Möglichkeit, deine tägliche Bewegung zu steigern, dich mit der Natur zu verbinden und dein Wohlbefinden zu verbessern.
Zeit in der Natur zu verbringen, ist für deine Gesundheit viel förderlicher, als du vielleicht glaubst. Mach es dir diese Woche zur Gewohnheit, mindestens 10 Minuten pro Tag in der Natur zu verbringen oder eine Folge deiner Lieblingsserie durch einen Spaziergang in einem nahe gelegenen Park zu ersetzen – du wirst sehen, was für einen Unterschied es für dein Wohlbefinden macht!
*Diese Aussagen wurden nicht von der Food and Drug Administration bewertet.
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